Wenn der Körper nicht mitspielt
Warum Zuhören wichtiger ist als Kontrolle

Der (bisher) unerfüllte Kinderwunsch kann zu einer ganz schön großen Belastung werden. Wir sind mental total gefordert, trainieren unser Mindset, versuchen unser Gedankenkarussel in Schach zu halten, achten darauf, dass unsere Paarbeziehung nicht leidet und geben bei all dem unser bestes, unseren Alltag so normal und unauffällig wie möglich weiter zu leben.
Dabei spielt sich der Kinderwunsch ja nicht nur im Außen oder im Kopf ab. Ganz im Gegenteil: Der Wunsch nach einem Kind ist eine zutiefst körperliche Angelegenheit. Und wenn das nicht so klappt, wie wir das gerne hätten, kann das eine ganz schön große Belastungsprobe für die Beziehung zwischen uns und unserem Körper werden.


Wenn der Körper nicht macht, was man will

Ein “Kinderwunsch” an sich, ist ja erstmal nur der Wunsch, irgendwann einmal Kinder zu haben. Noch ganz unschuldig und hoffnungsvoll. Von einem “unerfüllten” Kinderwunsch spricht man dann erst, wenn man bereits aktiv versucht, schwanger zu werden und das irgendwie nicht so ganz klappt, wie man sich das erhofft hat. Und das ist dann nicht mehr so hoffnungsvoll. Welche mentalen und emotionalen Herausforderungen so ein unerfüllter Kinderwunsch mit sich bringen kann, habe ich dir in meinem letzten Blogbeitrag hier schon erzählt. Heute möchte ich dich daher einmal mitnehmen, wie dieser Stress und Druck die Beziehung zu unserem eigenen Körper verändern kann.

Vielleicht hast du das ja auch schonmal gedacht: “Oh man, warum macht mein Körper das schon wieder?” oder auch “Wieso kann mein Körper das nicht?” Eins vorweg: Das ist total normal und du bist damit auf jeden Fall nicht alleine!

Wir wachsen auf und uns wird erzählt, dass “Kinder kriegen” das natürlichste der Welt ist. Ursache und Wirkung. Spermium befruchtet Eizelle, fertig. Wie viele Jahre verbringen wir dann schließlich damit, alles mögliche dafür zu tun, um genau das zu verhindern? Und wie oft hast du dir in deiner Jugend schon Sorgen darüber gemacht, ob du doch das eine Mal zu unvorsichtig warst? Manchmal muss ich echt darüber lachen, wenn ich mir dann angucke, wo ich jetzt stehe. (Natürlich ist mir trotzdem bewusst, dass für einige dennoch genau das die Realität ist: einmal nicht richtig aufgepasst und direkt schwanger. Und damit sind auch nicht alle happy. I see you, too.)

Auf die weitreichenden Auswirkungen von diversen Verhütungsmittel möchte ich an dieser Stelle lieber nicht eingehen. Vielmehr möchte ich darauf hinweisen, dass wir schon von Anfang an darauf trainiert werden, unseren Körper zu kontrollieren – auf verschiedene Weise. Und vielleicht merkst du: Jetzt bist du an einem Punkt, an dem du keine Kontrolle mehr hast.

Was läuft hier falsch?

Bei mir war das so, dass ich mich immer auf meinen Körper zu 100% verlassen konnte. Er war total robust, ich war selten krank, nie ernsthaft. Ich habe immer alles gut weggesteckt. Deshalb kam es für mich auch ehrlich gesagt nicht in Frage, darüber nachzudenken, ob das mit dem schwanger werden vielleicht schwieriger werden könnte. Ich hatte ja auch keine Anhaltspunkte dafür. Mein Zyklus war total normal und unauffällig (little did I know) und auch meine jährlichen Besuche bei meiner Frauenärztin waren immer unauffällig – spätestens hier wäre ja mal was aufgefallen oder? (Ja, wir dürfen alle kurz lachen)

Turns out: Was mein Körper jahrelang “gut weggesteckt hat” hat eben doch leise Spuren hinterlassen. Mein “normaler und unauffälliger Zyklus” hat eben doch kleine Zeichen gegeben, dass nicht alles so “normal” läuft – uns wird nur immer erzählt, dass das eben alles “zum Frau sein” dazugehört (Talking about: Schmierblutung vor der Periode, schmerzende Periode, usw.). Und dass man bei zehn Minuten Vorsorgeuntersuchung bei der Gyn und der Frage “Kommt ihr Zyklus regelmäßig?” nicht herausfindet, dass irgendwas nicht “normal” läuft, war mir ehrlich gesagt auch schon eigentlich immer bewusst, ich habe mich nur dahinter versteckt.

Ich habe mich dabei beobachtet, wie mit jedem Monat, der ohne Schwangerschaft verstreicht und mit jeder Schwangerschaft, die nach wenigen Wochen wieder geht, meine Wut, meine Verzweiflung und meine Machtlosigkeit immer größer wurden. Und ich habe mich dabei ertappt, wie ich wütend auf meinen Körper wurde. “Warum schafft mein Körper das nicht?” “Warum funktioniert mein Körper nicht so, wie er funktionieren sollte?” “Warum tut mir mein Körper das an?”

Zuhören und Hinsehen

Doch mittlerweile weiß ich, dass mein Körper genau so funktioniert wie er sollte – nur nicht so, wie ich das gerne hätte. Und das sind zwei verschiedene paar Schuhe.

Durch den Kinderwunsch habe ich die Beziehung zu meinem Körper erst so richtig bewusst wahrgenommen. Vorher lief alles so nebenbei. Aber jetzt ist es ein bewusstes Hinsehen.

Ich muss mich damit auseinandersetzen, wie wir hier hin gekommen sind und was ich ändern kann. Ich lerne zu verstehen, warum mein Körper so reagiert wie er es tut und was ich tun kann, um mit ihm zusammen in meine gewünschte Richtung gehen zu können.

Da gehört mehr dazu als ein paar Nahrungsergänzungsmittel zu schlucken (wobei die schon auch wichtig sein können) oder den Quick-Fix durch Medikamente oder Hormonpräparate zu finden.

Ich darf zuhören und hinsehen. Meinen Körper verstehen lernen. Lernen zu verstehen, was er mir sagt und zeigt. Das ist manchmal gar nicht so einfach. Im Alltag leben wir doch alle so oft einfach so dahin und funktionieren. Da bleibt häufig keine Zeit dafür, hinzuhören, wenn der Körper sagt: “Puh, das ist eigentlich heute zu viel, lieber wäre mir etwas mehr Ruhe, eine ausgedehnte Pause, weniger Reize.” Aber solange der Körper nur leise mit uns spricht haben wir noch Zeit, das Ruder rumzureißen. Fängt der Körper an zu schreien, geht es nur noch um Notfallmanagement. Also sind eben grade diese kleinen Zeichen, diese leisen Hinweise Gold für uns. Also höre hin!

Die Beziehung zu deinem Körper stärken

Wenn du bis hier hin gelesen hast, gehe ich davon aus, dass du dich in dem Struggle wiedererkannt hast und deine Beziehung zu deinem Körper auch ein kleines Refreshing gebrauchen könnte.

Deshalb habe ich hier für dich ein paar kleine Impulse und Ideen, wie du eure Beziehung wieder ein bisschen mehr stärken kannst:

Bewusst werden

Halte mal inne und überlege dir, was dein Körper in deinem Leben schon geleistet hat. Wo hat er dich überall hindurch getragen? Was hat er mit dir zusammen schon alles ausgehalten? Welchen Lebensstil hat er dir bereits verziehen? Welche Krankheiten hat er mit dir gemeinsam schon bekämpft und gemeistert? Werde dir der Stärke deines Körpers bewusst und schenke deinem Körper heute ein großes, dankbares Lächeln dafür.

Dankbarkeit

Ich weiß, wir können es alle nicht mehr hören. Aber Dankbarkeit hat auch was heilsames. Überlege dir mindestens fünf Dinge für die du deinem Körper dankbar bist. Überlege dir mal, was gut läuft, was dein Körper leistet. Am meisten beeindruckt hat mich in diesem Zusammenhang eine Freundin, die erzählt, wie dankbar sie dafür ist, ihre Periode zu bekommen. Sie wünscht es sich ebenfalls, schwanger zu werden. Aber wenn ihre Periode da ist, ist sie, nach einem kurzen Moment der Trauer, dankbar dafür, dass sie überhaupt einen funktionierenden Zyklus hat. Sie sieht ihre Periode nicht als Feind, sondern als Freundin, die ihr zeigt, dass sie fruchtbar ist. Für mich ein berührender Perspektivwechsel.

Reflexion

Auch eine ehrliche Reflexion gehört dazu, wenn man eine Beziehung nochmal kitten will. Ich lade dich ein, dir dein Journal (oder ein Blatt Papier) zu holen und dich mal zu fragen: “Wie gut war ich in der Vergangenheit zu meinem Körper?” In meinem Fall durfte ich mir zum Beispiel eingestehen, dass ich schon seit vielen Jahren meinen Körper übergehe und nicht richtig zugehört habe. Die Quittung dafür bekomme ich jetzt und ich darf einiges an “Wiedergutmachen”-Arbeit leisten. Also, was ist dein Resümee? Sei mal ehrlich, wie gut warst du in den letzten Jahren zu deinem Körper? Vielleicht steckt hier ebenso viel Gold drin für dich wie für mich.

Bewusste Momente zu zweit

Um eine Beziehung wieder zu neuem Leben zu erwecken ist es so wertvoll, aktiv und bewusst Zeit miteinander zu verbringen. So profitierst du selbstredend auch in der Beziehung zu deinem Körper davon, dir bewusst Zeit zu nehmen, deinen Körper zu nähren und zu pflegen. Vielleicht hast du Lust eine erdende Yoga-Einheit zu machen, in der du deinen Körper spürst, dehnst und bewusst wahrnehmen kannst. Vielleicht möchtest du das nächste Mal, wenn du deinen Körper nach dem Duschen eincremst, jeder Körperstelle, die du mit Lotion bedeckst, einen Dank aussprechen und ihr ein Lächeln schenken. Vielleicht möchtest du dir aber auch mal ganz bewusst Zeit und Raum nehmen, um dich ganz aktiv mit deinem Körper zu verbinden. Meditation ist für mich dafür der schönste Raum. Lege zum Beispiel eine Hand auf dein Herz und eine Hand auf deine Gebärmutter und atme in die Verbindung zwischen diesen beiden Bereichen. (In Zukunft wird es hier für dich Meditationsreisen für verschiedene Phasen und Aspekte auf dem Weg zum Mama-werden geben. Eine Meditation davon wird dich auch dabei unterstützen, dich aktiv mit deinem Körper zu verbinden. Wenn du möchtest, dass ich dir Bescheid sage, sobald die Meditation da ist, melde dich hier zu meinem Newsletter an.)

Der Grundstein für morgen

Der unerfüllte Kinderwunsch zwingt uns oft zu einer Reise, die wir wohl so freiwillig niemals angetreten wären. Als Frauen haben wir ganz oft eh schon ein kompliziertes Verhältnis zu unserem Körper – wenn er dann “nicht mal das schafft, wofür er da ist” wird es nochmal so richtig schwierig. Ich hoffe, mit meinem Blogartikel konnte ich dich zu einem Perspektivwechsel einladen, um dir die Beziehung zu deinem Körper nochmal aus einem anderen und vielleicht wohlwollenderem Blickwinkel anzusehen. Ich muss eingestehen, dass ich noch nie so bewusst, annehmend und sanft zu meinem Körper war, wie jetzt nach all den Hochs und Tiefs. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch als Mamas mit Kindern auf dem Arm und an den Händen so sehr davon profitieren, eine umsorgende und achtsame Beziehung zu unserem Körper zu haben. Unser Körper ist die Substanz, die uns in diesem Leben hält und wir wollen doch dieses Leben für uns und unsere Kinder in Freude, Leichtigkeit und Liebe leben, oder? Dafür legen wir heute schon die Grundsteine. Keine Kontrolle über körperliche Vorgänge zu haben, kann schwierig sein, bedeutet aber nicht, dass wir nichts machen können, um einen positiven Einfluss zu nehmen. Und wenn das aktuell alles ist, was wir tun können, ist das auch schon mehr als genug. 

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